Sugardaddys suchen im Netz nicht nach der großen Liebe, sondern schlicht nach einer Genossin, mit der sie Zeit verbringen können. Und diese Zeit wollen sie gut investieren, in Sugarbabes zum Beispiel. Das sind junge Frauen, oft Studentinnen, die sich von älteren Männern bezahlen lassen – für Drinks, Wochenenden, teure Geschenke oder Sex.

Wir haben uns mit einem Sugardaddy getroffen, der uns alles darüber verraten hat.

Liebe für die man bezahlen muss

Johannes hat gerade seinen 80. Geburtstag gefeiert. Es gibt Menschen, die würden solch einen Tag mit dem Ehepartner
verbringen, Kuchen mit den Enkeln essen und darüber lachen, wie kurz das Leben ist. Johannes hingegen hat keine
Ehefrau, auch keine Familie, die ihn an solch einem Tag besuchen kann. „Die Familie, die mit mir an meinem Geburtstag gefeiert hat, die habe ich mir selbst ausgesucht.“ Johannes meint damit drei Frauen, die er an diesem Tag getroffen hat. Die Jüngste von ihnen ist 22 Jahre alt. Johannes hat Geld. Viel Geld sogar, weil er lange als Arzt gearbeitet hat.

Er hat sich sein Leben lang schöne Dinge geleistet, erzählt er. Also warum sollte er, nur, weil er älter geworden ist, damit aufhören? „Ich habe keine Kinder, keine Verwandten, denen ich mein Geld vererben kann. Ich will das Geld, das ich mir erarbeitet habe, so ausgeben, wie ich möchte.“ Also entschied er sich vor knapp drei Jahren dazu, Sugardaddy zu werden. Wie er auf die Idee gekommen ist, möchte er nicht erzählen. Es gab ­bereits damals viele Webseiten, in denen man als Sugardaddy oder Sugarbabe aktiv sein konnte.

Er entschied sich für mysugardaddy.at und erstellte sich ein Profil. Er musste angeben, wie viel er verdient und wie viel Geld sein Vermögen umfasst; auch, wann er geboren wurde, was er sich von einem Sugarbabe erwartet und wie viel er bereit ist, für eine junge Frau auszugeben. Es war gut, dass Geld für ihn kein Problem ist – immerhin gibt es Frauen, die ein paar Tausend Euro im Monat kosten. „Für viele mag das abschreckend klingen, das verstehe ich auch, nur ich dachte mir, Qualität hat ihren Preis.“ Also traf Johannes sich mit seinem ersten Sugarbabe. Mittlerweile treffen sich die beiden schon seit drei Jahren. Letzten Monat sind sie sogar zwei Wochen gemeinsam verreist.

Beziehung ist nicht gleich Beziehung

Johannes hatte nie nur eine junge Frau, die er traf. Er meint, es gebe ­viele ­Dinge, die er gerne unternimmt, und da reiche eine Frau nun mal nicht aus. Häufig dauert so ein Treffen einen ganzen Tag. Das bedeutet, dass Johannes in diesen 24 Stunden mit der Auserwählten eine Beziehung führt. Eine, für die er zahlt, in der aber keine wahre Liebe existiert. Aber genau das ist das, was Johannes möchte. „Ich will mich nicht verlieben, keine Beziehung führen, für die ich etwas tun muss. Ich will nur noch das tun, was ich will. Und das beschränkt sich auf Gesellschaft mit schönen, interessanten Frauen und Zeit, die ich für mich selbst brauche. Also warum sollte ich das nicht verbinden?“

Heute hat er drei Sugarbabes. Eines, Mitte 20, trifft er seit einem ­halben Jahr. Aber das beschränke sich eher auf körperliche Dinge, erzählt ­Johannes. Sie reden zwar viel, aber Persönliches erzählen sie einander kaum. Ihm ist wichtig, dass keiner von ihnen beiden emotional involviert wird. Die zweite junge Frau hat ­Johannes noch nie gesehen. „Sie ist jemand, dem ich monatlich 900 Euro dafür ­zahle, dass ich nicht alleine bin. Das heißt eigentlich nur, dass sie abheben muss, wenn ich sie anrufe; dass wir telefonieren können, wenn ich das möchte. Das klingt vielleicht banal, aber es ist etwas, das ich wirklich zu schätzen gelernt habe.“ Hin und wieder, so erzählt Johannes, schickt sie ihm auch Bilder, auf denen sie nackt ist. Welche, auf denen sie sich so hingestellt hat, wie er das gerne hätte. Pro Bild zahlt er 300 Euro.

Amelie, das dritte Sugarbabe, 22 Jahre alt, trifft Johannes, seitdem sie ­maturiert hat. Anfangs, so erzählt sie, habe sie noch gekellnert. Aber mit dem Studium hat sich das nur schwer verbinden lassen. „Am Ende habe ich fast 40 Stunden in der ­Woche gearbeitet, weil ich nicht wusste, wie ich sonst mein Leben finanzieren soll. Mein Studium hat sehr darunter gelitten, ich habe Prüfungen nicht ­geschafft oder sogar versäumt. Ich wusste, ich muss etwas ändern.“ Amelie meldete sich als Sugarbabe im Internet an, circa ein halbes Jahr, nachdem sie nach Wien gezogen war. Der erste Mann, den sie getroffen hat, war ­Johannes. Der letzte blieb er nicht.

Ist gespielte Zuneigung wertvoll?

Wenn die beiden nebeneinandersitzen, dann merkt man nicht, dass sie eine Art Beziehung führen. Dass sie teilweise zärtlich zueinander sind oder Wochenenden miteinander verbringen, kann man nur schwer glauben. Es ist nur für einen Außenstehenden schwer nachzuvollziehen, warum sich die beiden treffen. Vor drei Jahren haben sich Amelie und Johannes dazu entschieden, Zeit zusammen zu verbringen. Der eigentliche Grund, Geld, ist zwar klar. Nur: Ist Geld so wichtig, dass man dafür Dinge in Kauf nimmt, die nur halbwegs erfüllend sind?

Man sieht Amelie an, dass sie nicht hier sein will mit ihm. Und in Johannes’ Gesicht kann man ablesen, dass er das weiß, dass es ihn aber nicht interessiert. Er erzählt von all den Dingen, die sie in den letzten drei Jahren gemeinsam erlebt haben: teure Restaurants, kurze Trips nach England, Abende, die sie in seiner Dachgeschoßwohnung verbracht haben. „Ich weiß, dass Amelie lieber andere Dinge machen will, als Zeit mit mir zu verbringen. Und dass es für sie eine Art Job ist. Ich weiß das bei all meinen Sugarbabes. Aber das ist das Bündnis, das sie eingegangen sind; so, wie ich von Anfang an wusste, dass es nicht echt ist. Falls sie sich dazu entscheiden, aufzuhören, dann wäre ich der Letzte, der sie überzeugen würde, es nicht zu tun.“

Wo liegt eigentlich das Problem?

Johannes erzählt, er finde die Diskussion um Sugardaddys und -babes schwierig. Vor allem, weil die meisten Leute nicht wissen, wovon sie sprechen. Er habe nie etwas verurteilt, was er nicht kannte. „Wie können sich Menschen eine Meinung über etwas bilden, das sie nicht kennen?“ Deswegen erzählt er zwar immer noch, dass er ein Sugardaddy ist, nur weiß er mittlerweile, wie die meisten Menschen reagieren. „Die schlimmsten Reaktionen sind die, in denen mir Personen vorwerfen, ich würde unschuldige junge Frauen ausnutzen. Aber das stimmt nicht. Ich habe Frauen getroffen, die waren 50 Jahre jünger als ich, aber wesentlich reifer; Frauen, die wussten, was sie taten, und es gerne taten. Die sich dafür entschieden haben, leichtes Geld zu machen.“

Er meint, er finde es heuchlerisch, dass die meisten Menschen davon ausgehen, dass alle Frauen gleich sind, dass alle Frauen so etwas nicht wollen, sondern nur „den einen Mann“ finden möchten. „Die meisten Frauen, die ich kennenlernen durfte, wollten sich nicht nur finanziell unabhängig machen, sondern auch sexuell.“ Johannes meint, Frauen seien unabhängige, selbstbewusste Geschöpfe und sollten das tun, was sie wollen – nur dass die Gesellschaft noch nicht verstanden habe, dass es viele Frauen gibt, die genau das sein möchten: ein Sugarbabe.